26.04.2024

Ich habe einen Tennisellbogen – dabei spiele ich gar kein Tennis


Ich habe einen Tennisellbogen – dabei spiele ich gar kein Tennis
Getapter Tennisellbogen
Viele kennen es: langsam entwickeln sich sehr hartnäckige Schmerzen an der Aussenseite des Ellbogens. Anfänglich sind diese gut auszuhalten, nehmen aber mit der Zeit und v.a. unter Belastung immer mehr zu. Schlussendlich sind sogar das Halten eines Wasserglases oder das Aufschrauben einer Flasche stark schmerzhaft. Manche erwachen zusätzlich nachts wegen Schmerzen. Am Ende sind die Betroffenen im Alltag erheblich eingeschränkt.
Häufig wird zunächst mit der Einnahme von Schmerzmitteln begonnen, wobei die Schmerzen meist höchstens während der Zeit der Schmerzmitteleinnahme besser sind. Sobald man damit aufhört, sind die Schmerzen unverändert wieder da. Auch die Physiotherapie scheint keine Beschwerdelinderung zu bringen.

Was also tun? Und was ist ein Tennisellbogen überhaupt?


Beim Tennisellbogen (Fachausdruck Epikondylitis humero-radialis) handelt es sich um eine Entzündung am Ursprung der Sehnen der Handgelenks-Streckmuskulatur. Diese Muskeln haben einen gemeinsamen Ursprung am gut tastbaren und leicht vorstehenden Knochen (Epikondylus humero-radialis) an der Aussenseite des Ellbogens. V.a. durch sehr häufige und immer ähnliche Bewegungen im Handgelenk kommt es mit der Zeit zu einer Überlastung und dadurch zu einer Entzündung des Sehnen-Ursprunges. In erster Linie führen häufige Drehbewegungen («Schraube anziehen) oder häufiges Heben von Gewichten aus dem Handgelenk zu einer solchen Überlastung und ja, heute ist die Ursache nur noch selten im Tennisspiel zu suchen. Dabei sind eher leichtere aber zig-fach wiederholte Bewegungen belastender als seltene Bewegungen mit hoher Kraftanstrengung. Falls die Schmerzen lange unbehandelt bleiben, kann sich mit der Zeit eine Abnützung der Sehne mit entsprechenden Ausfransungen (ähnlich einer «ausgetragenen Jeans») entwickeln. Die Schmerzen sind jedoch vielmehr Ausdruck der Entzündung und erst in zweiter Linie der Ausfransungen, daher ist nur in seltenen und sehr hartnäckigen Fällen ein MRI zur genaueren Abklärung notwendig. Wenn, dann wird ein solches am häufigsten aus versicherungstechnischen Gründen durchgeführt, v.a. wenn die Schmerzen nach einem Unfall begonnen haben. Allerdings werden auch diese Fälle selten als Unfallfolge von den Versicherungen anerkannt (siehe auch unter Bloq «Unfall oder Krankheit» vom 03.01.2023).

Therapie des Tennisellbogens (und auch Golferellbogens):


1.

Der wichtigste Schritt ist immer die Belastungsanpassung! Das heisst, v.a. wiederholte und immergleiche Bewegungen sollten vermieden werden. Je nach beruflicher Tätigkeit kann dies auch eine Arbeitsunfähigkeit bedeuten, besonders, falls die Beschwerden durch die Arbeit entstanden sind.

2.

Beinahe ebenso wichtig sind häufige, moderate Dehnungsübungen der Handgelenk- und Fingerstreckmuskeln. Diese Stretchingübungen sollten idealerweise mindestens zehnmal tgl. für ca. eine Minute durchgeführt werden. Die Dehnung sollte dabei leicht schmerzhaft aber gut aushaltbar sein, so dass die Position für eine Minute gehalten werden kann. Diese Stretchingübungen müssen auch durchgeführt werden, wenn sie (v.a. anfangs) schmerzhaft sind, da sie der wichtigste Teil der Therapie sind, welchen die Patienten/-innen selber zur Behandlung beisteuern müssen.
Durch die Schmerzen und durch Schonung kommt es immer zu einer Verkürzung der Muskeln, wodurch mehr Zug am Sehnenursprung resultiert, was wiederum die Entzündung am Knochenansatz verstärkt. Erst wenn dieser Zug deutlich geringer wird, kann sich die Entzündung am Knochenansatz langsam beruhigen.
Da sich die Muskeln auch nachts stark verkürzen, sollen die Übungen unbedingt morgens direkt nach dem Aufwachen ein erstes Mal durchgeführt werden.

Stretching

3.

Obwohl die Schmerzen am Ellbogen lokalisiert sind, sind in erster Linie Streck- und Drehbewegungen (Schraube anziehen) im Handgelenk und Streckbewegungen der Finger schmerzhaft, weil die entsprechenden Muskeln an der Aussenseite des Ellbogens entspringen. Deshalb ist zumindest eine teilweise Ruhigstellung des Handgelenkes sinnvoll. Am besten eignet sich hier eine relativ einfache Handgelenks-Schiene, welche über die Ruhigstellung eine gewisse Schonung bewirkt, ohne die Funktion der Hand zu sehr einzuschränken. Diese Schiene sollte so oft wie möglich getragen werden, am besten auch nachts.

Handgelenk Lagerungsschiene

4.

Eine «Tennisellbogen-Spange» kann v.a. bei stärkerer Belastung oder beim Sport eine deutliche Schmerzlinderung bewirken, falls der Druck der Bandage gut vertragen wird. Sinn dieser Spange ist, durch den Druck der Pelotte auf die sich anspannende Muskulatur ca. fünf Zentimeter vor dem Ellbogen bereits einen Teil der auf die Sehne einwirkenden Kraft zu neutralisieren, damit weniger Spannung auf den Sehnen-Ursprung am Knochen einwirkt. Die Spange kann auch sehr gut in Kombination mit der Handgelenks-Schiene (oder als einfachere Variante wie auf dem Bild unten mit einer simplen Handgelenksmanschette) getragen werden, da sie vom Konzept her unterschiedlich aber gut ergänzend funktionieren.

Epicondylitis-Brace

5.

Kinesio-Tapes wirken ähnlich wie die «Tennisellbogen-Spange», indem sie einen Teil des Muskelzuges abfangen, wodurch weniger Spannung der Sehne am Ursprung am Knochen entsteht. Da die Tapes die Funktion des Ellbogens und Handgelenkes in keiner Weise einschränken, sind sie v.a. bei Sport sehr sinnvoll. Falls die Tapes als Alternative zur Spange benutzt werden, sollten sie für mehrere Wochen konsequent angelegt und in der Regel alle drei bis vier Tage gewechselt werden. Das Anlegen der Tapes ist dabei sehr einfach, so dass häufig z.B. Angehörige durch die Physiotherapeuten/-innen zum Anlegen instruiert werden können.

Kinesio Tape

6.

Generell ist die Physiotherapie ein ganz wichtiger Bestandteil der Behandlung des Tennisellbogens. Neben den Dehnüngsübungen und den Tapes können in der Therapie muskelentspannende Verfahren angewandt werden, wie Triggerpunkt-Behandlungen, Akupressur, Massagen und v.a. Dry needling, daneben auch entzündungshemmende Therapien (v.a. radiäre Stosswellentherapie).

Needeling

7.

Unterstützend empfehlen wir auch für mind. einen Monat eine lokale entzündungshemmende Therapie mittels Spray oder Gel, z.B. Traumalix forte® ca. dreimal täglich.

8.

Falls diese ganze Batterie an Massnahmen nach ca. einem Monat noch keine Schmerzlinderung gebracht hat, stehen als nächste «Therapiestufe» noch die fokussierte Stosswellentherapie oder aber die Eigenblut-Therapie (PRP-Injektionen) zur Verfügung. Beide Therapien werden leider nicht durch die Krankenkassen und Unfallversicherungen übernommen und stellen somit Selbstzahlerleistung dar.
Die fokussierte Stosswellentherapie ist die stärkere (aber auch schmerzhaftere) Variante der radiären Stosswellentherapie (im Rahmen der Physiotherapie). Durch die starken Impulswellen wird die Durchblutung der Sehne v.a. direkt am Knochenansatz gefördert, was schlussendlich einen starken entzündungshemmenden Effekt bewirkt. In der Regel müssen dabei ca. sechs Sitzungen im Wochenrhythmus durchgeführt werden. Diese Therapie ist v.a. angezeigt, wenn die stärksten Schmerzen direkt am Sehnen-Ansatz am Knochen lokalisiert sind.

fokussierte Stosswellentherapie

9.

Falls die Hauptschmerzen etwas weiter unten am Vorderarm, mehr über den Sehnen lokalisiert sind, dann ist die Eigenbluttherapie effizienter. Dabei werden den Patienten/-innen ca. 15ml Blut entnommen, welches anschliessend für fünf Minuten bei 1500 Umdrehungen/min. zentrifugiert wird. Dabei setzen sich die schwereren roten und weissen Blutkörperchen als Sediment am Boden der Spritze ab, darüber verbleit der flüssige Überstand (das Plasma) mit den leichteren Blutplättchen. Mittels spezieller Methoden kann dabei dieses Plasma mit den Plättchen gewonnen und den Patienten/-innen direkt wieder am Ort der Entzündung gespritzt werden. Dabei sind im Plasma entzündungshemmende Faktoren vorhanden, sowie in den Plättchen viele Wachstumsfaktoren. Zudem sind die Plättchen noch nicht vollständig «ausgewachsene» Zellen, sie können sich quasi noch in Sehnen-Narbenzellen umwandeln und somit neben der entzündungshemmenden Wirkung auch effektiv die Sehnenheilung fördern. Auch hier sind in der Regel ca. sechs Spritzen im Wochenrhythmus notwendig,

Blutplasmatherapie
Generell muss bei den ganzen Therapien aber immer betont werden, dass der Tennis- (und Golferellbogen) zu den langwierigsten orthopädischen Problemen überhaupt gehört.
Dabei kann es gut und gerne auch deutlich über ein Jahr (selten auch über zwei Jahre) dauern, bis die Schmerzen komplett verschwinden. Glücklicherweise heilen aber weit über 95% der Tennisellbogen selber aus, ohne dass eine Operation notwendig ist. Daher sollte primär nie über eine Operation nachgedacht werden, frühestens nach vielen Monaten konsequenter Therapie, falls die Schmerzen dann noch immer nicht deutlich besser sind.

Häufig fragen Patientinnen oder Patienten bei einem Tennisellbogen nach einer Kortisonstpritzen:
Von Kortisonspritzen raten wir bei Tennisellbogen dringend ab. Zwar bewirken diese schnell über die stark entzündungshemmende Wirkung des Kortisons eine Schmerzlinderung. Allerdings hält diese meist nur sehr beschränkt an. Und v.a. wiederholte Kortisonspritzen können die Sehnen erheblich schwächen, wodurch es in Extremfällen sogar zu einem kompletten Reissen der Sehnen kommen kann. Dies hat in der Regel eine aufwendige Operation zur Folge, deren Resultat nicht immer befriedigend ist.

Sämtliche Aussagen gelten auch für den deutlich selteneren Golferellbogen, der eine analoge Entzündung/Überlastung der Beugesehnen am Unterarm auf der Innenseite des Ellbogens darstellt.

© Oliver Bassi