28.06.2022
Fast Track Surgery – Schneller erholen von einer Operation!
Ziel einer jeden Operation ist es, möglichst schnell wieder auf die Beine zu kommen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Liegedauer nach einer Hüft- oder Knieprothesen-Operation von 12 Tagen auf heute bei uns 3-5 Tage reduziert.
Der kürzere Spitalaufenthalt wurde durch modernere Operationsmethoden, eine optimierte Nachbehandlung und Risikominimierung erzielt.
Wir gehen nun in diesem Trend einen Schritt weiter zur «Fast Track Chirurgie». Diese ist ein multimodales Behandlungskonzept, welches dem Patienten eine schnellere Mobilisation nach der Operation ermöglicht und somit auch eine frühere Rückkehr nach Hause und in den Alltag.
Die okönomischen Vorteile stehen nicht im Vordergrund. Der primäre Ansatz dieses Konzeptes ist die Minimierung der perioperativen Risiken und Komplikationen, die eine Überwachung und längere Behandlung des Patienten notwendig machen.
Eine solche Arbeitsweise macht eine Standardisierung aller Behandlungsprozesse und eine interdisziplinäre Arbeitsweise mit Operateuren, Anästhesisten, Pflegeteam, Physiotherapie, Verwaltung und dem Patienten selber notwendig.
Unseren Behandlungspfad haben wir unter dem Konzept AGILE+ erstellt.
Prothesenmodelle Hüfte und Knie
Das Fast-Track Programm setzt folgende Faktoren voraus:
- Optimierte Patientenvorbereitung
- Pre-Habilitation / präoperative Physiotherapie
- Minimierung des Blutverlustes
- Standardisierte multimodale Schmerztherapie
- Frühmobilisation
- Minimierung des Komplikationsrisikos
Optimierte Patientenvorbereitung
Die Behandlung beginnt nicht erst mit der Operation. Es ist sehr wichtig, dass der Patient optimal auf den Eingriff aber auch auf die Nachbehandlung und Rehabilitation vorbereitet wird. Schon die Operationsaufklärung wird patientenspezifisch detailliert durchgeführt, damit der Patient nachvollziehen kann was mit ihm geschieht und was ihn erwartet. An Abendveranstaltungen erhält der Patient Informationen zum Ablauf der Operation, des Spitalaufenthaltes und der Rehabilitation und kann sich mit ehemaligen Patienten austauschen.
Das perioperative Komplikationsrisiko eines Patienten wird erheblich von seinen Begleiterkrankungen beeinflusst. Einige dieser Nebendiagnosen können beeinflusst werden. Ein präoperativer Check-up durch den Hausarzt ist daher sehr wichtig. Vor einer Operation sollte ein Diabetes mellitus optimal eingestellt sein und chronische Erkrankungen müssen therapiert werden (z.B. Rheuma, Morbus Parkinson, Herzschwäche, Herzrhythmus-störungen). Es dürfen keine Infektionen im Körper vorliegen, wie z.B. eine Blasenentzündung oder Entzündung des Zahnfleisches/der Zahnwurzeln. Um Blutungskomplikationen zu minimieren, sollte keine Blutarmut (Anämie) bestehen und die Blutgerinnung normal funktionieren oder eingestellt sein. Die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten (Marcoumar®/Sintrom®/Xarelto®/Plavix®/ASS) vor der Operation muss mit allen behandelnden Ärzten genau abgesprochen werden.
Röntgen Hüfte- und Knieprothese
Minimierung des Blutverlustes
Ein hoher Blutverlust beeinträchtigt nicht nur den Kreislauf, sondern auch die Wundheilung, die Mobilisation und das Wohlbefinden. Während der Operation geben wir ein Medikament zur Minimierung von Blutungen intravenös (Tranexamsäure = Cyclokapron®). Während der Operation wird der Blutdruck reguliert, was den Blutverlust reduziert. Wir arbeiten ohne Blutsperre, um eine genaue intraoperative Blutstillung vornehmen zu können und Nachblutungen zu verhindern. Auch wird auf eine Drainage verzichtet, was den Blutverlust zusätzlich reduziert. Nach der Operation wird ein leichter Kompressionsverband angelegt, um Einblutungen in das Gewebe zu reduzieren.
Nicht nur Tabletten!
Standardisierte multimodale Schmerztherapie
Geringe Schmerzen sind für den Patienten das wichtigste Kriterium, welches ganz entscheidend die Mobilisation beeinflusst! Wir verwenden möglichst gewebsschonende Operationstechniken, AMIS minimalinvasiver Hüftzugang, mit «Minimal release Prinzip», reduziertem Hakenzug und kleinerer Wundfläche durch patientenspezifische Instrumente. Der Narkosearzt wird mit dem Patienten vor der Operation die Schmerzmedikamente festlegen. Auch wird die Notwendigkeit von Schmerzkathetern abgeklärt, wobei meistens eine Leitungsanästhesie als Einmalinjektion verwendet wird, um die Mobilisation nach der Operation nicht zu erschweren. Noch vor dem Ende der Operation werden schmerz-hemmende Medikamente verabreicht, damit ein schmerzvolles Erwachen erspart bleibt. Am Ende der Operation verwenden wir einen Medikamentencocktail, welcher in das Gewebe um die Operationswunde/das Gelenk gespritzt wird, um diese für mehrere Stunden zu betäuben. Nach der Operation wird eine standardisierte Schmerztherapie nach einem Stufenschema durchgeführt. Die Schmerztherapie wird bei Bedarf mit dem spezialisierten Schmerzdienst eng abgestimmt.
Pre-Habilitation / präoperative Physiotherapie
Es ist sinnvoll, bereits vor dem operativen Eingriff Physiotherapie durchzuführen, um sich optimal auf den Eingriff vorzubereiten. In dieser Pre-Habilitation werden das Laufen an Stöcken geübt und Verhaltensweisen für das Alltagsleben nach der Operation instruiert. Mit der hauseigenen Physiotherapie haben wir ein Trainingsprogramm zusammengestellt, welches auf die Fast-Track-Chirurgie zugeschnitten ist und den Patient mit nach Hause begleitet.
Frühmobilisation
Ein wesentlicher Faktor der Risikominimierung ist die frühe Mobilisation des Patienten. Diese erfolgt bereits am Operationstag. Hierdurch können eine geringere Thromboserate, eine verbesserte Atmung, eine höhere Patientenzufriedenheit durch geringeres Krankheitsgefühl, ein geringerer Muskelabbau und ein kürzerer stationärer Aufenthalt erreicht werden. Ein kürzerer Krankenhausaufenthalt senkt auch das Risiko für Spital-Infektionen erheblich!
Minimierung des Komplikationsrisikos
Nach jeder Operation müssen Komplikationen möglichst vermieden werden. Die wichtigsten Komplikationen sind Thrombosen, Stürze und Infektionen.
Ein Hauptfaktor zur Thrombosevermeidung ist die Mobilisation des Patienten und des Gelenkes, welche unmittelbar nach der Operation erfolgen. Mit der Physiotherapie werden Übungen zur Thromboseprophylaxe instruiert. Ein Kompressionsstrumpf am operierten Bein zusammen mit Medikamenten zur Thromboseprophylaxe - im Spital als Spritzen, anschliessend in Form von Tabletten (Xarelto®) einmal täglich für 4-6 Wochen - vermindern das Thromboserisiko massiv.
Zur Vermeidung von Stürzen, aber auch zum Schonen des Rückens und Erreichen eines runden Gangbildes, empfehlen wir das Benutzen von Gehstöcken für 4 Wochen bei voller Belastung des Beines. Ein gezieltes Gangtraining vor und nach der Operation gibt zusätzlich Sicherheit.
Zur Vermeidung von Infektionen geben wir den Patienten zusätzlich zum sauberen, sterilen chirurgischen Arbeiten perioperativ eine Infektionsprophylaxe mit einem Antibiotikum (Cefuroxim) für 24 Stunden. Um Hautirritationen zu verhindern, wird die Operationsregion erst kurz vor dem Eingriff rasiert. Als Verbandmaterial verwenden wir ein spezielles Hautpflaster, welches bis zur Fadenentfernung belassen wird. Ein häufiger Verbandswechsel erhöht nachweislich die Infektgefahr.
Handy-App und Tracker zur interaktiven Nachsorge
Nachbehandlung
Patienten werden schon vor dem Spitaleintritt auf die Zeit danach vorbereitet, zum einen durch den Operateur und die Informationsveranstaltungen, zum anderen durch unser Agile+ Case Management. Patienten werden vor und nach der Operation regelmässig kontaktiert, um unerwünschte Verläufe schnell zu erkennen.
Der Spitalaustritt erfolgt in der Regel nach Hause. Eine stationäre Rehabilitation oder eine Erholungskur ist in den wenigsten Fällen notwendig. Natürlich muss dabei aber die soziale Situation oder eine Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden.
Es erfolgt eine ambulante physiotherapeutische Nachbehandlung, welche etwa 2-3x/Woche erfolgt. Die Termine hierfür werden bereits vor Spitaleintritt oder währenddessen koordiniert. Optional ist für Kniepatienten zusätzlich eine automatische oder aktive Bewegungsschiene für daheim (Kinetec-Schiene oder CamoPed®). Die Physiotherapie instruiert die Patienten für ein Heimtrainingsprogramm. Durchschnittlich ist Physiotherapie nach einer Knieprothese für 3-4 Monate notwendig.
Wir verwenden für eine interaktive Nachsorge eine digitale Spital-(Arzt)-Patienten-Schnittstelle. Patienten erhalten eine mobile Handy App (Medacta POP® (Patient optimized pathway)) mit welcher der Heilungsverlauf verfolgt werden und der Patient Rückmeldungen geben kann. So weiss der Patient immer über seinen Heilungsverlauf Bescheid. In Zukunft wird diese App bei Bedarf erweitert um ein Trackingarmband, welches einen Rückschluss auf die postoperative körperliche Verfassung des Patienten gibt.
Es finden regelmässig Nachkontrollen statt, nach zwei Wochen durch den Hausarzt mit Entfernung des Nahtmaterials und dann nach 6 und 12 Wochen durch den Operateur. Bei normalem Verlauf führen wir eine Jahreskontrolle durch, da man erst nach dieser Zeit die volle Ausheilung nach einem endoprothetischen Eingriff erwarten darf.
©Ben Schulz