15.10.2023
Schienbeinkantensyndrom (Shin Splint) - wenn das Lauftraining schmerzt
Beim Sport und Training können Überlastungserscheinungen auftreten, vor allem wenn die Intensität gesteigert wird oder Sport neu begonnen wird. Das Schienbeinkantensyndrom ist eines der häufigsten sportassoziierten Überlastungssyndrome von Sehnen und Knochen.
Verlauf des Tibialis posterior Muskels
Entstehung:
Die beiden Knochen des Unterschenkels (Tibia und Fibula) übernehmen verschiedene Aufgaben. Während der Wadenbeinknochen ein wichtiger Stabilisator des Sprunggelenkes darstellt, dient der Schienbeinknochen zur Stabilitätdes Unterschenkels. An diesem entspringen mehrere Muskeln und Sehnen für das Sprunggelenk und den Fuss. Einer der Hauptakteure ist der Tibialis posterior Muskel, welcher an der hinteren inneren Schienbeinkante entspringt, beziehungsweise der Tibialis anterior Muskel, welcher an der vorderen äusseren Schienbeinkante entspringt. Bei wiederholtem und anhaltendem Zug des Muskels kommt es zu einer Überlastung und schmerzhafter Reizung am Sehnen-/Knochenübergang. (vordere obere oder untere innere Schienbeinkante).
Diese Reizung tritt vor allem bei sportlichen Überlastungen, wie bei Lauf- und Ballsportarten auf. Eine wichtiger Entstehungsfaktor hierbei ist oft eine Fussfehlstellung (Senk-/Spreiz- oder Knickfüsse), Beinachsenfehlstellungen (X- oder O-Beine) und Übergewicht.
Sportmedizinisch muss man dieses M. tibialis posterior Syndrom von anderen Überlastungssyndromen wie einem chronischem Kompartementsyndrom oder einem Stressbruch des Schienbeines unterscheiden.
Symptome:
Schmerzen treten anfänglich während oder nach sportlicher Belastung auf und klingen nach Ruhephasen wieder ab. In schwereren Fällen können andauernde Schmerzen bestehen und zur Sportunfähigkeit führen.
Manchmal treten Schwellungen am Schienbein auf. Die Diagnose kann häufig bereits anhand der Schmerzlokalisation am M. tibialis anterior oder -posterior Ansatzes abgeleitet werden.
Schmerzpunkte an der vorderen bzw. inneren hinteren Schienbeinkante
Abklärungen:
Die klinische Untersuchung bietet oft schon genügende Hinweise auf die Erkrankung. Zur Diagnosesicherung kann eine Ultraschalluntersuchung eine Entzündung am Muskelansatz (Reizflüssigkeit) und eine verdickte Knochenhaut feststellen . Eine Magnetresonanztomographie (MRI) ist selten notwendig und ist weiteren Fragestellungen wie Stressbrüchen oder Kompartementsyndrom vorbehalten. Eine konventionelles Röntgen kann zum Ausschluss eines Überlastungsbruches herangezogen werden oder zur Vermessung der Beinachse bei chronischen Fällen.
Ein Augenmerk muss auf die Fussstellung gerichtet werden. Bei ambitionierten Amateursportlern und Leistungssportlern ist eine (3D) Laufanalyse zu erwägen.
Therapie:
In fast allen Fällen kann ein Shin Splint konservativ behandelt werden. Es muss dabei die Ursache der Überlastung angegangen werden, was eine multimodale Therapie erfordert.
- Mit der Physiotherapie und dem Sporttrainer muss das Training angepasst werden. Zum Teil auch mit einer Trainingspause. Trainingsintensität muss angepasst werden und Trainingsfehler erkannt und geändert werden. Zur Anpassung des Laufstiles kann eine Laufanalyse wichtig sein. Laufschuhe sollten angepasst und ggf erneuert werden.
- Bei Fussfehlstellungen helfen orthopädisch angepasste Schuheinlagen. Hiermit können auch Beinachsen-/ und Beinlängenfehler ausgeglichen werden.
- Physikalische Massnahmen wie Kryotherapie, Ultraschall und Stosswellentherapie können adjuvant, sowie Sportsalben, Schmerzmittel auch, angewendet werden. Dry Needeling und Akkupunktur verbessern die Schmerzsituation.
- Blutplasmatherapie kommt nur bei ausgeprägten Befunden in Betracht
- Dehnungsübungen und Aufwärmübungen sollten vor dem Sport durchgeführt werden.
In dem meisten Fällen ist Geduld gefragt, da die entsprechenden Therapien Zeit in Anspruch nehmen. Es ist aber auch eine selbstlimitierende Erkrankung, welche bei entsprechender Therapie vollständig ausheilen kann.
© Ben Schulz